postheadericon Keine Beratungshilfe im Verwaltungsverfahren/Arbeitslosengeldes II

Sachverhalt

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren wegen der Ablehnung der Gewährung von Beratungshilfe im Zusammenhang mit der Feststellung eines Rechts auf Arbeitslosengeld II.

Die Rechtssuchende beantragte unter Vorlage der entsprechenden und ihrer Auffassung nach vollständigen Unterlagen die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch.

Das Jobcenter forderte die Rechtsuchende auf, einen Nachweis über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihrer bisherigen Arbeitgeberin beziehungsweise bei Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses eine von dieser ausgefüllte Einkommensbescheinigung zukommen zu lassen.

Daraufhin beauftragte die Rechtssuchende einen Rechtsanwalt, der sich an das Jobcenter wandte und die angeforderten Unterlagen übersandte.

Gleichzeitig beantragte der Rechtsanwalt im Namen der Rechtssuchenden beim Amtsgericht Meldorf Beratungshilfe für diese.

Die Rechtspflegerin am Amtsgericht Meldorf wies den Antrag zurück, da die anwaltliche Tätigkeit lediglich darin bestanden habe, gegenüber dem Jobcenter Tatsachenangaben zu machen, die von der Rechtsuchenden mitgeteilt worden seien. Hierfür hätte es nicht der Einschaltung eines Rechtsanwalts bedurft.

Nachdem der Erinnerung nicht abgeholfen worden war, wies sie das Amtsgericht Meldorf aus den nach seiner Ansicht zutreffenden Gründen der Vorentscheidung mit Beschluss vom 17. Februar 2011 zurück.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG.

Entscheidung

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Rechtssuchende nicht in ihrem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG.

Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Nach ständiger Rechtsprechung darf gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG Bedürftigen die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden.

Dabei sind unbemittelte Rechtsuchende allerdings nur solchen bemittelten Rechtsuchenden gleichzustellen, die ihre Aussichten vernünftig abwägen und bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat bei einem Rechtsanwalt auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen.

Ein kostenbewusster Rechtsuchender wird dabei insbesondere prüfen, inwieweit er fremde Hilfe zur effektiven Ausübung seiner Rechte braucht.

Bei der Frage, wann es für den unbemittelten Rechtsuchenden zumutbar und möglich ist zur Selbsthilfe zu greifen, ist strittig.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht liegt jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit vor, wenn unbemittelte Rechtsuchende eine finanzielle Unterstützung in Fällen versagt wird, in denen auch bemittelte Rechtsuchende wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden.

Bei der Beurteilung kommt es darauf an, ob der Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft und ob Rechtsuchende über Rechtskenntnisse verfügt.

Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt einfach gelagert, auch wenn die Rechtssuchende den Nachweis dem Jobcenter schon übersandt haben sollte, so bleibt dem beauftragten Rechtsanwalt nichts anderes übrig, als den Nachweis noch einmal zu übersenden.

Dieses hätte die Rechtsuchende jedoch auch ohne Rechtsbeistand tun können.

Bemittelte Rechtsuchende müssten darüber hinaus die Kosten der Rechtsverfolgung für das Verwaltungsverfahren selbst tragen. Aufwendungen für die Hinzuziehung anwaltlicher Unterstützung werden im Erfolgsfall erst für das Widerspruchsverfahren, nicht aber für das Verwaltungsverfahren erstattet gemäß § 63 Abs. 2 SGB X.

Kosten, die durch eine anwaltliche Vertretung während des Verwaltungsverfahrens bis zur Entscheidung durch einen Verwaltungsakt entstanden sind, werden weder nach den Regelungen des Sozialverwaltungsverfahrensrechtes noch nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstattet.

Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 07.02.2012

1 BvR 804/11

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20120207_1bvr080411.html

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